Homo currens statt Homo sapiens?

Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft! (Emil Zátopek)

von Dr. Dominique Görlitz

Kein anderes Säugetier kann so langausdauernd und schnell laufen, wie der moderne Mensch. Eine vergleichende Analyse hat erbracht, dass Pferde eine Reisegeschwindigkeit von 16 km/h erreichen. Allerdings halten sie das kaum länger als 25 km durch. Ein guter Ausdauerläufer schafft jedoch bei gleichem Tempo die doppelte Weite erreichen!!!

Abb. 1 Ein Angehöriger des Volkes der San in vollem Lauf. Die bereits im Paläolithikum übliche Methode der Hetzjagd zu Fuß, die von den afrikanischen Buschleuten bisweilen noch heute praktiziert wird, macht sich in besonderem Maß physische Vorteile des menschlichen Körpers zu Nutze. Ihre Anwendung trug vermutlich in nicht geringem Maße zum 'evolutionären Erfolg' unserer Spezies bei. (Foto: mmaramotswerules.com)

Diese Erkenntnis führte bereits 1984 zu der Hypothese, dass der Ausdauerlauf eine Schlüsselrolle bei der Evolution des modernen Menschen spielte. Demnach haben unsere Vorfahren ihre Beute stundenlang durch die Hitze Afrikas oder auch Asiens gehetzt, um sie dann überwältigen zu können.

Mit der Entwicklung verbesserter Fernwaffen sind sie dann auch noch erfolgreicher geworden, was sich durch die erhöhte protein- und fettreiche Nahrung abermals positiv auf die Hirnentwicklung ausgewirkt haben könnte. Die im Süden Afrikas lebenden Khoi-San (Abb. 1) in Namibia praktizieren diese Jagdmethode sogar noch heute.

Natürlich sind viele Säugetiere, wie Antilopen oder Pferde, besser ans Laufen angepasst als wir. ABER: Sie alle sind Kurzstreckenläufer. Das liegt auch an zwei physiologischen Anpassungen, aus denen sie sich nicht befreien können:

1. Sie sind Wiederkäuer und müssen - es sei denn sie haben vorher eine Tage lange Diät gemacht - unbedingt längere Pausen zum Verdauen einlegen, sonst machen ihnen die gärenden Bakterien den Gar aus! Ihre Verdauung lässt kein Stunden langes Rennen zu, auch wenn alle Parameter funktionieren!
2. Die Thermoregulation schützt den Menschen vor tödlicher Überhitzung besser als jedes andere Säugetier. Nur unsere Haut besitzt zur Kühlung mehr als 2 Mio. Schweißdrüsen und der Verlust des Haarkleides ist vermutlich noch effizienter bei der Hetzjagd...

Diese beiden physiologischen Funktionen machen den Unterschied zwischen Mensch und Antilope! Sie sind das Nadelöhr und nicht das optimale Läuferskelett der Huftiere...

3. Und auch Turnschuhe braucht es zum Rennen nicht. Ein Turnschuh verbraucht mehr als 4 % Energie beim Rennen. Unser Fußskelett ist optimal auf das Rennen eingestellt...

Vielleicht wirkt die evolutionsbiologische Bindung des frühen Menschen an die laufende Fortbewegung auch noch bei heutigen Archäologen nach, weshalb sie Wanderungs- und Handelsaktivitäten auf dem Land in der Regel recht offen gegenüberstehen. Reisen über das Meer werden jedoch eher kritisch interpretiert oder deren Bedeutung vielfach unterschätzt. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass die vorzeitlichen Menschen noch vor der Domestikation des Pferdes den Bau von Booten sowie die Ausnutzung der Windkraft erfunden haben.

Insofern tragen wir als „rennende Affen“ ein uraltes Vermächtnis in unseren Genen, was auf unseren Wanderungstrieb hinweist. Deshalb ist es durchaus gerechtfertigt, unsere Spezies auch Homo currens („der rennende Mensch“) zu bezeichnen. Klingt bei unserem aggressiven Verhalten auch irgendwie passender als Homo sapiens („Gott gleich und wissend“)…


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Dr. Dominique Görlitz (©) wurde von ihm Anfang Juli 2018 für Atlantisforschung.de verfasst.

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